Sonntag, 21. Juli 2013

Schopenhauer und die Kunst Recht zu behalten

Fast so schön wie die Sonnenstrahlen draußen, sind die Kunstgriffe Schopenhauer's, die einem auch in Notlagen Hilfe leisten, obgleich die Sonne nicht scheint. Sodann möchte ich einige dieser zitierend und kommentierend vorstellen.

Um die Dialektik rein aufzustellen muß man, unbekümmert um die objektive Wahrheit (welche Sache der Logik ist), sie bloß betrachten als die Kunst, Recht zu behalten, welches freilich um so leichter sein wird, wenn man in der Sache selbst Recht hat.
Aber die Dialektik als solche muß bloß lehren, wie man sich gegen Angriffe aller Art, besonders gegen unredliche verteidigt, und eben so wie man selbst angreifen kann, was der Andre behauptet, ohne sich selbst zu widersprechen und überhaupt ohne widerlegt zu werden. Man muß die Auffindung der objektiven Wahrheit rein trennen von der Kunst, seine Sätze als wahr geltend zu machen Dialektik. Man hat sie definiert als die Logik des Scheins: falsch: dann wäre sie bloß brauchbar zur Verteidigung falscher
Sätze; allein auch wenn man Recht hat, braucht man Dialektik, es zu verfechten, und muß die unredlichen Kunstgriffe kennen, um ihnen zu begegnen; ja oft selbst welche brauchen, um den Gegner mit gleichen Waffen zu schlagen.

(...) bei den Regeln hiezu darf man die objektive Wahrheit nicht berücksichtigen, weil meistens unbekannt ist, wo sie liegt; oft weiß man selbst nicht, ob man Recht hat oder nicht (:D soso), oft glaubt man es und irrt sich, oft glauben es beide Teile; beim Entstehn des Streits glaubt in der Regel jeder die Wahrheit auf seiner
Seite zu haben: beim Fortgang werden beide zweifelhaft: das Ende soll eben erst die Wahrheit ausmachen, bestätigen. Also darauf hat sich die Dialektik nicht einzulassen: so wenig wie der Fechtmeister berücksichtigt, wer bei dem Streit, der das Duell herbeiführte, eigentlich Recht hat: treffen und parieren, darauf kommt es an, eben so in der Dialektik: sie ist eine geistige Fechtkunst; nur so rein gefaßt, kann sie als eigne Disziplin aufgestellt werden: denn setzen wir uns zum Zweck die reine objektive Wahrheit, so kommen wir auf bloße Logik zurück; setzen wir hingegen zum Zweck die Durchführung falscher Sätze, so haben wir bloße Sophistik [Spitzfindigkeit, Wortklauberei (pedantisch enge Auslegung der Worte, kleinliches Festhalten an der wortwörtlichen Bedeutung von etwas Gesagtem)]. Und bei beiden würde vorausgesetzt sein, daß wir schon wüßten, was objektiv wahr und falsch ist: das ist aber selten zum voraus gewiß. Sein (Zwischen-)Fazit: Der wahre Begriff der Dialektik ist also der aufgestellte: geistige Fechtkunst zum Rechtbehalten im Disputieren, obwohl der Name Eristik passender wäre: am richtigsten wohl Eristische Dialektik.

Da nun in diesem Sinne die Dialektik bloß eine auf System und Regel zurückgeführte Zusammenfassung und Darstellung jener von der Natur eingegebnen Künste sein soll, deren sich die meisten Menschen bedienen, wenn sie merken, daß im Streit die Wahrheit nicht auf ihrer Seite liegt, um dennoch Recht zu behalten; – so
würde es auch dieserhalb sehr zweckwidrig sein, wenn man in der wissenschaftlichen Dialektik auf die objektive Wahrheit und deren Zutageförderung Rücksicht nehmen wollte, da es in jener ursprünglichen und natürlichen Dialektik nicht geschieht, sondern das Ziel bloß das Rechthaben ist.Der Gegner hat eine These aufgestellt (oder wir selbst, das ist gleich). Sie zu widerlegen, gibt es zwei Modi und zwei Wege.

Bei Modi zeigen wir entweder, daß der Satz nicht übereinstimmt mit der Natur der Dinge, der absoluten objektiven Wahrheit; oder aber nicht mit andern Behauptungen oder Einräumungen des Gegners, d. h. mit der relativen subjektiven Wahrheit.
Bei Wege gibts a) direkte Widerlegung, und b) indirekte. – Die direkte greift die These bei ihren Gründen an, die indirekte bei ihren Folgen: die direkte zeigt, daß die These nicht wahr ist, die indirekte daß sie nicht wahr sein kann. Bei der direkten können wir zweierlei. Entweder wir zeigen, daß die Gründe seiner Behauptung falsch sind – oder wir geben die Gründe zu, zeigen aber, daß die Behauptung nicht daraus folgt,
greifen also die Konsequenz, die Form des Schlusses an.

Exempel 1. Ich sagte: »Die Engländer sind die erste Dramatische Nation.« – Der Gegner wollte eine instantia versuchen und erwiderte: »Es wäre bekannt, daß sie in der Musik folglich auch in der Oper nichts leisten könnten.« – Ich trieb ihn ab, durch die Erinnerung »daß Musik nicht unter dem Dramatischen begriffen sei; dies bezeichne bloß Tragödie und Komödie«: was er sehr wohl wußte, und nur versuchte, meine Behauptung so zu verallgemeinern, daß sie alle Theatralischen Darstellungen, folglich die Oper, folglich die Musik begriffe, um mich dann sicher zu schlagen.
Merke: Allgemeinbildung fördert die eigene Argumentation.

Exempel 2. A sagt: »Der Friede von 1814 gab sogar allen Deutschen Hansestädten ihre Unabhängigkeit wieder.« – B erwidert, daß Danzig die ihm von Bonaparte verliehene Unabhängigkeit durch jenen Frieden verlor. – A rettet sich so: »Ich sagte allen Deutschen Hansestädten: Danzig war eine Polnische Hansestadt.«
Merke: Verwende jedes Wort mit Bedacht; die Kunst Recht zu behalten, kann im Detail stecken.

Exempel 3. In einem Gespräch über Philosophie gab ich zu, daß mein System die Quietisten in Schutz nehme und lobe. – Bald darauf kam die Rede auf Hegel, und ich behauptete er habe großenteils Unsinn geschrieben oder wenigstens wären viele Stellen seiner Schriften solche, wo der Autor die Worte setzt, und der Leser den Sinn setzen soll. (:D:D:D:D Seine Art, Hegel verbal zu erniedrigen, war einfach göttlich!) – Der Gegner unternahm nicht dies ad rem (zur Sache gehörend) zu widerlegen, sondern begnügte sich, das argumentum ad hominem (auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Menschen abgestimmt) aufzustellen »ich hätte so eben die Quietisten [philosophisch, religiös (durch eine verinnerlichte, weltabgewandte Frömmigkeit gekennzeichnete mystische Strömung) begründete Haltung totaler Passivität] gelobt, und diese hätten ebenfalls viel Unsinn geschrieben«.Ich gab dies zu, berichtigte ihn aber darin, daß ich die Quietisten nicht lobe als Philosophen und Schriftsteller, also nicht wegen ihrer theoretischen Leistungen, sondern nur als
Menschen, wegen ihres Tuns, bloß in praktischer Hinsicht: bei Hegel aber sei die Rede von theoretischen Leistungen. – So war der Angriff pariert. (^^)

In allen aufgestellten Beispielen ist (c.p.) was der Gegner sagt, wahr: es steht aber nicht in wirklichem Widerspruch mit der These, sondern nur in scheinbarem; also negiert der von ihm Angegriffene die Konsequenz seines Schlusses: nämlich den Schluß von der Wahrheit seines Satzes auf die Falschheit des unsrigen. Es ist also direkte Widerlegung seiner Widerlegung.

Den Gegner zum Zorn reizen: denn im Zorn ist er außer Stand, richtig zu urteilen und seinen Vorteil wahrzunehmen. Man bringt ihn in Zorn dadurch, daß man unverhohlen ihm Unrecht tut und schikaniert und überhaupt unverschämt ist.Bei einer Behauptung des Gegners müssen wir suchen, ob sie nicht etwa irgendwie, nötigenfalls auch nur scheinbar, im Widerspruch steht mit irgend etwas, das er früher gesagt oder zugegeben hat behauptet er z. B., Berlin sei ein unangenehmer Aufenthalt: gleich schreit man: »warum fährst du nicht gleich mit der ersten Schnellpost ab?« (Ein mir sehr sympathisches Beispiel)

Merken wir, daß der Gegner eine Argumentation ergriffen hat, mit der er uns schlagen wird; so müssen wir es nicht dahin kommen lassen, ihn solche nicht zu Ende führen zu lassen, sondern beizeiten den Gang der Disputation unterbrechen, abspringen oder ablenken, und auf andre Sätze führen. (:D:D)

Fordert der Gegner uns ausdrücklich auf, gegen irgend einen bestimmten Punkt seiner Behauptung etwas vorzubringen; wir haben aber nichts rechtes; so müssen wir die Sache recht ins Allgemeine spielen und dann gegen dieses reden. Wir sollen sagen, warum einer bestimmten physikalischen Hypothese nicht zu trauen ist: so reden wir über die Trüglichkeit des menschlichen Wissens und erläutern sie an allerhand.

Wichtig und stetige Maxime: "Es kommt ja nicht auf die Wahrheit, sondern den Sieg an."

Fordert er, daß wir etwas zugeben, daraus das in Streit stehende Problem unmittelbar folgen würde; so lehnen wir es ab, denn er und die Zuhörer werden einen dem Problem nahe verwandten Satz leicht als mit dem Problem identisch ansehn: und so entziehn wir ihm sein bestes Argument.

Ein brillianter Streich ist, wenn das Argument, das er für sich gebrauchen will, besser gegen ihn gebraucht werden kann; z. B. er sagt: »es ist ein Kind, man muß ihm was zu gute halten«: Replik: »eben weil es ein Kind ist, muß man es züchtigen, damit es nicht verhärte in seinen bösen Angewohnheiten«.

Wird bei einem Argument der Gegner unerwartet böse, so muß man dieses Argument eifrig urgieren (drängen, nachdrücklich betreiben) : nicht bloß weil es gut ist, ihn in Zorn zu versetzen, sondern weil zu vermuten ist, daß man die schwache Seite seines Gedankenganges berührt hat und ihm an dieser Stelle
wohl noch mehr anzuhaben ist, als man vor der Hand selber sieht.

Beispiel, Sport: Ich erinnere mich sofort, wenn ich merkte ein Spieler beginnt zu hadern, wie ich sofort das Spieltempo anzog und meine Aufschläge beim Tischtennis schneller und ohne Pause ausführte, um sogleich seine Schwächeperiode für meinen Erfolg zu nutzen.

Merkt man, daß man geschlagen wird, so macht man eine Diversion: d. h. fängt mit einem Male von etwas ganz anderm an, als gehörte es zur Sache und wäre ein Argument gegen den Gegner.

Die Allgemeinheit einer Meinung ist, im Ernst geredet, kein Beweis, ja nicht einmal ein Wahrscheinlichkeitsgrund ihrer Richtigkeit. [Oder wie Alexandra Dahlström (in Raus aus Âmal sagen würde: "Weißt du wieviel 0x0 ist? Soviel kümmert's mich, was die Leute über mich reden)]

(...) Der Gegenstreich ist: »Erlauben Sie, bei Ihrer großen Penetration, muß es Ihnen ein leichtes sein, es zu verstehn, und kann nur meine schlechte Darstellung Schuld sein«, – und nun ihm die Sache so ins Maul schmieren (:D:D:D:D), daß er sie verstehn muß und klar wird, daß er sie vorhin wirklich nur nicht verstand. – So ist's retorquiert (verdreht): er wollte uns »Unsinn« insinuieren; wir haben ihm »Unverstand« bewiesen. Beides mit schönster Höflichkeit. (:p:p)

Wenn der Gegner auf eine Frage oder Argument keine direkte Antwort oder Bescheid gibt, sondern durch eine Gegenfrage, oder eine indirekte Antwort, oder gar etwas nicht zur Sache Gehöriges ausweicht und wo anders hinwill, so ist dies ein sicheres Zeichen, daß wir (bisweilen ohne es zu wissen) auf einen faulen Fleck getroffen haben: es ist ein relatives Verstummen seinerseits. Der von uns angeregte Punkt ist also zu urgieren² und der Gegner nicht vom Fleck zu lassen; selbst dann, wann wir noch nicht sehn, worin eigentlich die Schwäche besteht, die wir hier getroffen haben.

Angedacht hatte ich zunächst den Diskurs Kant's mit Schiller zur Ästhetik zu erörtern, als er bereits in meiner Lieblingsphilosophiesendung bei Harald Lesch und Wilhelm Vossenkuhl angedeutet wurde. Das ist aber insofern völlig unproblematisch, da ich zum Abschluss den Begriff der Ästhetik auf anno 2013 mit mir dafür authentischen und adäquaten Bildern übersetzen werde.
#Weißes Hemd, schwarze Krawatte (Foto links made by Alexander Urban)
 #Lila, #Porsche, #Qual, #Biss (links me)
 #Diving #Do you know the place? :) (Thomas Daley, Olympiabronze @London 2012)

3 Kommentare:

  1. ich studiere ab oktober chinesische wirtschaftskommunikation. ích liebe sprachen und zukunft hat das ganze auch ;) also perfekt.

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  2. ja ich werde mal schauen mit dem arbeiten ;) wie gesagt, bin hin- und hergerissen!

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