Sonntag, 9. Juni 2013

Zwischen Freud und Leid

Es ist die Geschichte! - unvollendet, aber ermutigend.


Es war bereits die 30. Ausgabe des Rhein-Ruhr-Marathon und wie es sich gehört, startete ich mit der Startnummer 30 :p Nichts für ungut. Mehr als gut gestärkt, motiviert sowieso, diesmal auch nicht indisponiert, eigentlich nur etwas entnervt ob des Regens, aber 13Grad nimmt man gerne mal mit an den Start. Erste Reihe also, wie so oft. Ihr wißt ja, Hochmut kommt vor dem Fall. Und so ging es in die ersten 5km. War ganz gut im Flow, nicht zu schnell, aber auch keine Schneckenveranlagung. Das Richtauto für die schnellste Frau im Feld noch gut im Blick. Bei km 10 dann exakt bei 43:00min drüber, selbstverständlich ohne Uhr, rein auf den gesunden Menschenverstand, gepaart mit Intuition und Erfahrung, die gewünschte Zeit gesetzt. Wie gut diese eigene Richtlinie war, zeigte sich nur wenige Meter später, als mich der erste Zugläufer, gut sichtbar mit dem Herzbommel 3:00h, ein- und überholte. War mir aber zugegeben etwas über meinem vorgestellten Tempo und so ließ ich mich dort in der Gruppe schnell durchreichen. Drops gelutscht? Nicht doch!

Ich fluchte zwar, dass mir wiedermal die Amplitude (kurze Beine und so) fehlt aber glücklicherweise tauchte just dahinter noch ein zweiter Zugläufer mit einem eben so schönen Bommelherz, das in die Luft ragte, auf. Ein kleiner Asiate. Noch einen unglaublichen Kopf kleiner als ich. Sehr gute Frequenz. Mist, dachte ich nur, die Ausrede mit der Amplitude, die zieht nich mehr. Also dran geblieben. Und es sollten die entspanntesten und schönsten 10 km dieses Parcours werden. Kurz vor der 20km marke, war plötzlich nur noch ich neben dem Asiaten. Die Gruppe fiel einem vergleichbaren Ausscheidungsrennen zum Opfer. Gute Motivationsquelle! Wobei ich mir zwischenzeitlich dachte, kuck bloß nicht in einen Spiegel am Straßenrand, um zu sehn, wie schnell das Tempo ist. Das ist gaaaaanz langsam, sagte ich mir einfach. War's nich!

Leider passierte dann nunmehr etwas unglückliches, als der vordere Zugläufer sich zu einer Zwangspinkelpause gezwungen sah. Kurzum: der Asiate zog an km 20 mal eben nen halben Kilometer im Zwischenspurt an, um den vorderen Zugläufer zu ersetzen. Beim besten Willen, und auch wenn ich noch nicht am Limit war, aber das wär pure Selbstüberschätzung gewesen, dort nachzugehn. Unerwartet, aber statt alle Wünsche der 3:00h zu begraben, lief ich erstaunlich gut und unbeeindruckt weiter. Alles weiter auf Zug. Resignation? Nein, danke. Und selten gesehn, aber den einen oder anderen schon wieder von vorne aufgelaufen. Merkbar also auch ohne Zugläufer - der inzwischen nur noch am Horizont schemenhaft sichtbar war - kein Abfall zwischen km 20 und 30.

Mitlerweile waren km Bereiche erreicht und gar überschritten, wo ich für gewöhnlich bisher schon große Probleme verspürte d.h. nichts anderes als kurz vorm gehen und den Krämpfen unterlegen. Nichts gar nichts. Gelernt aus den Fehlern und weiter auf Zug geblieben, bis sage und schreibe 5km vor Finish. Und der Mut der Zuschauer brachte Zuspruch "Oh, der sieht noch stark aus!" oder "Das geht noch sehr gut!". Bei km 37 gings erstmals nich mehr sehr gut - leichtes Zucken in den Oberschenkeln. Motivation ob der Gewissheit, das die so ersehnten 2:59h, selbst mit einem äthiopischen oder kenianischen Sprint wohl au nur noch kaum zu erreichen sind. Ohnehin weit weg von Sprintfeeling. Aber gekämpft. Unfassbar. Und das wurde belohnt, denn ich hatte mich dadurch, das ich immer noch keinen Meter preis gab und das Tempo konstant auf Vortrieb hielt, so weit nach vorne gekämpft, dass ich einen muskelbestückten Athleten erreichte.

"Triathlet?", fragte ich spürbar erschöpft. Der war auch noch weit weg davon schon tempo rauszunehmen. Ich nicht. In nicht mehr genauem Wortlaut sagte er sowas wie, dass er Wiederholungstäter sei, hier in Duisburg schon 2:50h und 2:55h lief. Im letzten Jahr bei der Hitze mit Training immerhin noch 3:05. Wow, dachte ich nur. Etwas sarkastisch fügte ich an: "Sindwa ja nich weit voneinander weg; lieg so bei 3:37h". "Ja Wahnsinn, dann aber Vollgas jetzt!", oder so ähnlich folgte auf meine Replik. "Ich hab mich zwar gestern nur aus Spass wegen des schönes Wetters nachgemeldet.."; nach kurzem Blick zum Himmel, unterbrach ich: "Gute Entscheidung", "Sei froh, sonst wärst du jetzt nicht so gut in der Zeit!".
Und dann folgte etwas, dass sich nicht mehr anders als pure Qual bezeichnen lässt. Ich wollte und konnte echt nicht mehr und hörte nur immer wieder seine peitschende Stimme: "Hinter mir jetzt nur noch im Windschatten bleiben! Kopf hoch! Rücken gerade! Knie nach vorne! Los jetzt, dass sind deine km. Das ist deine Zeit. Rücken gerade! Knie nach vorne! (....)" Immer und immer wieder-.- und eine gerade Haltung ist selbst im angespannten Zustand, im entspannten gleich sowieso nicht, keine bevorzugte Haltung von mir.

Auf der Zielgeraden stehen dann 3:04:26 oder so. Nicht mal 5 Min haben zum großen Traum gefehlt! Dennoch eine sensationelle Leistung und auch die Zeit ist mehr als in Ordnung. Nach dem Zieleinlauf kamen ersma zwei Herren "Wie alt? "Wie alt?" und ich gleich so "Nein nein, kein Jahhunderttalent. Geht nicht mehr viel nach vorn!" Im Rückblick beweist es mir eines: Magersucht kann auch Ausdruck von (Über-)Ehrgeiz sein, vielleicht sogar krankhaftem Erfolgswillen! Wenn man den Willen und Ehrgeiz nur für etwas sinnvolles und nicht selbstzerstörerisches einsetzt, dann stehen einem in dieser Welt alle erfolgreichen Türen und Möglichkeiten potentiell offen, denn außergewöhnliche Leistungen können auch ein klares Statement für MS sein! Und diese Erkenntnis ist selbst lern- und schaffbar!

1 Kommentar:

  1. Zu deinem Kommentar: Ich glaube, heute würd ich auch so handeln. Damals kam einfach zu viel anderes dazwischen, zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber ich hab ja jetzt ne neue Chance. ;)

    Gratuliere zu deiner Zeit. :)
    Man sagt doch allgemein, das Menschen mit Magersucht sehr ehrgeizig seien. Einerseits denke ich, das ist sehr gut möglich. Ich kenne auch eine Magersüchtige, die sehr ehrgeizig war, zumindest in der Schule und was Noten anging. Da ist aber auch der Knackpunkt, es betrifft soviel wie ich miterlebt hab, nie alle Bereiche des Lebens. Ist ja auch kaum machbar, überall so ehegeizig zu sein. Beim Essen ist es doch oft so, dass die Betroffenen aussagen, dass sie so wenigstens über etwas in ihrem Leben die Kontrolle hätten. Bis man eben merkt, dass dies nicht der Fall ist.
    Ich slber hab früher oft im Sport diesen Ehrgeiz gezeigt, aber keineswegs auf gesunde Weise. Hab stundenlang Tanzschritte und Abfolgen geübt, ging ins Kickboxen und oft noch 5 Mal pro Woche Joggen.. Ausserdem hatte ich Leistungsasthma, was dazu führte, das ich gerannt bin bis ich Atemnot bekam. Damals dachte ich, ich hab alles unter Kontrolle. Bis mir irgendwann, als ich keine Zeit fürs Tanztraining hatte, bemerkte, wie zwanghaft ich mich da rein steigerte. Im Gegenteil zum Sport hatte ich diesen Ehrgeiz in der Schule aber gar nicht.. So denke ich, haben viele Menschen bestimmte Lebensbereiche, in denen sie mehr Ehrgeiz aufweisen, als in anderen..

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