Dienstag, 28. August 2012

Lässt sich die Realität einer Essstörung mithilfe des ökonomischen Modells von Barro und Gordon erklären?

Es ist doch immer wieder verblüffend wie punktgenau ökonomische Modelle verschiedene Zustände und Ereignisse fernab ökonomischer Realität zu erklären vermögen. Oft reicht es schon nur etwas Transfervermögen aufzubringen; eine Modellumbastelung erübrigt sich ceteris paribus.

Ich werde mal versuchen mal meine heutigen Gedanken und Erkenntnisse so vereinfachend zu übertragen, dass auch ein Nicht-Ökonom den Modellerklärungszusammenhang nachvollziehen kann. Angeregt dazu hat mich ein Blogpost von "mypassion". Dort ging es im weiteren Sinne um den Einfluss von Eltern zur Heilung eines Kindes mit einer Essstörung.

Modellieren wir einfach mal die Ausgangssituation: Essgestörter hat seine - nennen wir sie glücksverlustfunktion - die er zu minimieren versucht, indem er sein gewicht minimiert und seine Eltern glücklich macht. Es besteht also ein trade off zwischen der eigenen Gewichtsabnahme und dem Glücklichmachen der Eltern, die keine Gewichtsabnahme wünschen. Wichtig ist dabei, dass der Gewichtungsfaktor der Gewichtsabnahme stärker ist als der des Glücklichmachen der Eltern! Spieltheoretisch tritt er nun in ein Spiel mit seinen Eltern ein, denen er zunächst in der Periode t ankündigt sein gewicht zuzunehmen. Da er in der ersten Periode noch glaubhaft ist, werden ihm die Eltern glauben und daraufhin ihre Erwartungen über das Gewicht des Essgestörten positiv bilden, d.h. dass er seine optimale Ankündigung im Sinne der Eltern wahrmacht und zunimmt. Nach Bildung dieser Erwartung überlegt der Essgestörter nun, ob er sein Gewicht wirklich erhöht. Da er rational ist minimiert er seine Glücksverlustfunktion und kommt zu dem Ergebnis, das es für ihn in t+1 nun optimal ist doch lieber Gewicht abzunehmen, weil er dann glücklicher würde. 
Mit zunehmender Spielanzahl verliert der Essgestörte die Reputation seiner glaubwürdigkeit bei seinen ebenfalls rationalen Eltern, wird mihtin nicht mehr reliabel für Sie. Diese überlegen nun, wie Sie dieses Zeitinkonsistenzproblem lösen können. Da Sie beide einen Freund der Familie kennen, der Ökonom ist, ziehen Sie ihn nun zu Rate. Er kennt das Modell und die Lösungsvorschläge, die in der Literatur diskutiert wurden, um das Problem zu lösen. Er schlägt die Kontraktlösung von Walsh vor. Sie besagt angewendet auf unser Beispiel, dass die Eltern einen Vertrag mit dem Essgestörten aushandeln müssen, der ein Bonus- und Malussystem enthält das Anreizkompatibilität für eine Gewichtszunahme schafft. Sie verhandeln, dass er 100g pro Tag zunehmen muss, schafft er dies nicht werden ihm Laptop und Handy entzogen. Schafft er die Vorgabe, um das ex ante Gewicht zu erreichen, wird sein Taschengeld erhöht. Entscheidend ob der Vertrag zielführend ist, ist ob die Vertragsstrafe bzw. -Belohnung, die nun in die obige Glücksverlustfunktion eingeht hoch genug ist, dass eine Gewichtsabnahme nicht mehr die optimale Handlung ist. In der Ökonomie lässt sich übrigens - nicht unintuitiv - so ein optimaler Vertrag berechnen und aufsetzen. Bei Interesse werde ich vielleicht noch mal andere Lösungsvorschläge vergleichend darstellen.

3 Kommentare:

  1. Hallo,

    danke fürs namentliche Erwähnen. Ich werde das Ganze jetzt mal kommentieren:
    Dein Modell klingt relativ plausibel, allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, wo man es realistisch betrachtet. Bei einer Essstörung geht es (in den meisten Fällen) längst nicht mehr darum, seine Eltern glücklich zu machen. Das könntest du auch durch Aufräumen, Staubwischen oder Abwaschen erreichen. In allen anderen Fällen resultiert die Essstörung höchstwahrscheinlich durch Probleme, die der/ die Essgestörte als so akut erlebt, dass eine Lösung gefunden werden muss. Diese "Lösung" ist also die ES.
    Wir halten fest:
    1.) Das Glücklichmachen der Eltern "funktioniert" eventuell noch im Anfangsstadium der Krankheit
    2.) Es liegen (meistens) schwere psychische Probleme (o.ä.) vor, dass jemand die Nahrungsaufnahme verweigert.
    3.) Selbst Strafen oder Belohnungen werden den Betroffenen (meistens) nicht zu einer Genesung verhelfen
    4.) Sollte das Kind ein auffälliges Essverhalten und/oder Gewichtsverlust zeigen, sollten die Eltern SOFORT handeln. DAS ist ihre AUFSICHTSPFLICHT und ERZIEHUNGSSORGFALT. Bis das Kind 18 ist MÜSSEN die Eltern handeln, sonst könnte dies auch unter den Punkt "Kindeswohlgefährdung" fallen. Sollte das Kind älter als 18 sein, dürfen/ sollten Eltern, Freunde, Verwandte etc. das Kind zwangseinweisen lassen, wenn eine akute Lebensgefahr besteht.

    Was du zum Schluss beschreibst ist das so genannte "Modelllernen", hier haben wir das Modell der "operanten Konditionierung". Die Eltern wollen das Verhalten ihres Kindes positiv verstärken. Sie möchten, dass das Kind 100gr (am Tag) zunimmt. Um dieses Verhalten herbeizuführen, verstärken sie das Verhalten POSITIV, indem sie ihm als Anreiz eine Erhöhung des Taschengeldes bieten. Schafft das Kind es nicht, wird es bestraft. Ein positiver Reiz (Laptop und Handy) werden ihm entzogen.

    Dies waren meine Gedanken zu dem Thema!
    LG
    mypassion

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  2. Hmm, ehrlich gesagt denk ich, dass sich eine Essstörung gar nicht so wirklich entwickelt, weil man die Eltern glücklich machen will.
    Ich meine, klar, die Eltern tragen auf jeden Fall zu der ES bei, aber eigentlich eher als negativer Aspekt. Meistens ist es entweder eine Art...hmm, Hungerstreik, so können wir's auch nennen. Rebellion. (oh ja, damit hab ich's in letzter Zeit xD)oder ein Hilferuf nach Aufmerksamkeit.
    Vielleicht auch Trotz. Keine Ahnung, mit so einer Krankheit verbinde ich eigentlich nicht, dass was Positives dahinter steckt...also, weißt du, was ich meine?
    Eigentlich stimm ich 'My Passion' vollkommen zu und so.:3
    Trotzdem, der Text ist gut. Ich verstehe, auf was du hinaus willst. Aber wenn mir meine Mom mein Handy oder gar mein Laptop weg nehmen würde, ich würde erst recht noch härter mit meinem Programm weiter machen. Keine Ahnung, ob das bei mir wegen meinem Charakter so ist, aber..hmm...
    War auf jeden Fall interessant. c:
    alles liebe,
    xx ♥

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  3. Haha, schon gut. Wo soll man hier sonst noch eine Konversation führen? :P
    Ich stimm dir da vollkommen zu, die Vergangenheit war mit Sicherheit nicht positiv gewesen & auch das mit der Flucht stimmt, erfahrungsgemäß.
    Hmm, denkst du wirklich, man.. naja, 'sucht' sie? Vielleicht interpretiere ich das jetzt auch falsch, aber...Man denkt sich ja nicht: "Ah, alles ist Mist, ich hol' mir mal 'ne Essstörung, dann wird alles besser." (wenn ich dich falsch verstanden habe, tell me!) Es ist meiner Meinung nach anders rum. Man will beispielsweise abnehmen, um weniger zu werden, sein Äußeres dem Inneren, dem Zerbrechlichen anpassen. Und dieser Gedanke wächst und nimmt irgendwann den gesamten Platz im leben ein. Und wenn man sogar wieder Abstand dazu gewinnt, beim kleinsten Problem, flüchtet, wie du schon sagtest, man in die ES, weil sie einen einnimmt, man sich voll und ganz auf sie konzentrieren kann und.. sowas.
    Hm, zur Rebellion. Ich glaube, die Situation ist zu spezifisch, haha. In meinem Kopf schaltet alles auf stur, wenn man nicht nett ist oder gar Konsequenzen gegen mich ausübt. Und egal was ich angestellt habe, meine Sturheit lässt mich weiter machen, damit nicht wieder ich nachgeben muss. Außer bei meinem Dad. Aber das ist schon eine andere Geschichte und ich komme vom eigentlichen Thema ab. Es gibt genug Mädchen und auch Jungen, die nicht nachgegeben haben, egal welche Konsequenzen die Eltern ergriffen haben. Du kannst mir glauben, manche davon sind jetzt tot.
    Mit Strafen und gewissenlosen Forderungen kann man bei einem richtigen Esssgestörten nicht viel erreichen. Denn dafür hat die Krankheit einen schon zu sehr eingenommen.
    Haha, kein Problem. Es war eigentlich eigennützig, haha, damit ich dir auch mal zurück schreiben kann :D :3

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